Bedingungsloses Grundeinkommen in den Niederlanden

Experiment: Bedingungslosen Grundeinkommen in den Niederlanden

01. Januar 2014 Wir haben bei unseren Streifzügen ein paar Berichte im Netz darüber gefunden, daß im Norden der Niederlande so etwas wie ein bedingungsloses Grundeinkommen geplant ist. Ob das zutrifft, können wir hier nicht beurteilen. Hat jemand von unseren Lesern dazu Informationen? Das wäre ein sehr interessantes Experiment, was es zu beobachten gilt. 

Nach den spärlichen Berichten wollen die Niederlande in Kürze „probeweise“ eine Art bedingungsloses Grundeinkommen testen. Die Überlegung dahinter sei, daß die Gesellschaft in Zukunft noch viel mehr Arbeitsplätze, die bisher von menschlichen Arbeitskräften besetzt sind, mit Robotern und Automaten aller Art bestückt. Das bedeutet notwendigerweise, daß eine Arbeit als Quelle des Lebensunterhaltes nicht mehr für jeden zur Verfügung gestellt werden kann.
Diese Entwicklung sieht auch eine Studie der University of Oxford und berechnet, daß nach dem Dafürhalten der Verfasser der Studie 50% aller Arbeitsplätze in den nächsten 20 Jahre der Automatisierung zum Opfer fallen werden.

Was bisher das einzige Rezept gegen die Arbeitslosigkeit war, das Arbeitslosengeld I und dann irgendwann, wenn derjenige wirklich gar nichts mehr hatte, HartzIV, hat sich als ein sehr schlechter Weg entpuppt. Wer schon damit in Berührung kam, kann ein Lied davon singen. Manche behaupten, Hartz IV sei eine Art bedingungslosen Grundeinkommens, doch es ist alles andere als das.

Gerade die Grundidee, den Menschen von der schlimmsten Existenzangst zu befreien, ihm Selbstachtung und die Freiheit zu geben, das zu tun, wozu er sich wirklich berufen fühlt, aus seiner Unabhängigkeit heraus ohne mörderischen Erwerbsdruck das zum Allegemeinwohl beitragen zu können, was er wirklich kann und will – genau das geht bei Hartz IV eben gar nicht. Die Opfer des Hartz IV Systems werden unter der Knute und Bevormundung der Arbeitsagentur zu allem Möglichen vergewaltigt, müssen sinnlose und entwürdigende Prozeduren über sich ergehen lassen, immer in der Angst, daß ihnen selbst der erbärmliche Hungerlohn durch Bestrafung vorenthalten oder gekürzt wird, wenn sie nicht nach den Regeln der Arbeitsagentur funktionieren. dazu zu verdienen geht so gut wie gar nicht, so daß es auch kaum möglich ist, aus dem Leibeigenenverhältnis herauszukommen.

Man wird in Schulungen geschickt, wo einem zum Beispiel beigebracht wird wird, man müsse eben, um in eine Selbständigkeit starten zu können, etwas Kapital für die notwendigen Anschaffungen zurücklegen, damit man überhaupt starten kann. Und genau das darf man gar nicht. Selbst dann, wenn man nicht „illegal“ nebenbei arbeitet, um dieses Startkapital zusammen zu bekommen, selbst wenn man es geschenkt bekäme, würden die Bezüge gestrichen, weil der Bezieher ja jetzt Geld hat. Also hat er keinen Anspruch mehr. Und wenn er das geschenkte Startkapital zum Leben verbrauchen mußte, fällt er zurück in Hartz IV, weil nichts mehr da ist – und kann kein eigenes Geschäft mehr aufbauen. Spricht man die Trainer darauf an, wissen die das ganz genau, zucken mit den Schultern und haben keinen Rat. Immerhin bezahlt die Agentur für Arbeit ja ihren Schulungsjob, und wer beißt die Hand, die einen füttert?

Mit anderen Worten: Genau das, was es eigentlich bewirken soll – und wozu das bedingungslose Grundeinkommen da wäre, verhindert Hartz IV: Eigeninitiative, Selbstbestimmung, Freiheit von Not und Entbehrung, einen Beruf aufbauen, sich in die Gesellschaft als vollwertiges Mitglied einzubringen, Zukunftsperspektive. Wer nicht das Glück hat, eine bezahlte Anstellung im System zu finden, bleibt meistens Knecht dieses Hartz IV-Systems bis zum Renteneintritt. Dann ist die Altersarmut weingstens gesichert, weil man ja nichts zurücklegen konnte, aber wenigstens wird man mit seiner Armut in Ruhe gelassen.

Bezieht man alle Kosten ein, die für die Bezieher von Hartz IV ausgegeben werden, und geht man davon aus,daß es eben einfach nicht genug Arbeit für alle diese Leute im heutigen Wirtschaftssystem gibt, dann wäre es schon ein Weg, das Geld als bedingungsloses Grundeinkommen ohne all die Schikanen und Widersinnigkeiten zur Verfügung zu stellen. Vielleicht will man in den Niederlanden wirklich mal sehen, was passiert, wenn die Dauerarbeitslosen nicht durch ständige Reglementierung, Schikane und Einschüchterung eine Grundsicherung erhalten, die sie frei macht, sich nach Gutdünken ihre eigene Berufung zu suchen – und dazu zu verdienen, wenn man es will.

Hinter dem Plan in den Niederlanden ein solches Experiment zu wagen, soll das experimentelle Soziallabor, MIESlab stehen. Hier möchte man neue Herangehensweisen an sozioökonomische Probleme austesten. Das Experiment soll angeblich im Norden der Niederlande durchgeführt werden. Hier ist die Quote der Arbeitslosen und der Armut traditionell besonders hoch und konnte bisher mit den herkömmlichen Werkzeugen der Sozialpolitik nicht verringert werden. Sozusagen ein austherapierter Patient, bei dem man auch keinen größeren Schaden mehr anrichten kann, wenn man es jetzt mal mit etwas ganz „Abgedrehtem“ versucht.

Allerdings ist das Rentenmodell der Niederlande an sich schon nah an der Idee des bedingungslosen Grundeinkommens: Es gibt dort nämlich eine Basisrente für alle. Unabhängig von Löhnen und eingezahlten Beiträgen. Jeder, der 50 Jahre und mehr in den Niederlanden lebt, erwirbt ein Anrecht, die Rente zu beziehen. Der Rentenhöchstbetrag liegt bei 1008 Euro monatlich für Alleinstehende und bei 702 Euro je Partner bei Ehepaaren. Da rund 90 % der Niederländer zusätzlich noch eine Betriebsrente bekommen, geht es den Senioren dort recht gut.

Nimmt man also dieses Rentensystem und gliedert man Langzeitarbeitslose mit ein, hat man im Grunde ohne großen, verwaltungstechnischen Aufwand das Probe-Grundeinkommen schon finanziert. Die 50 Jahre Leben in den Niederlanden entfallen einfach, Nachweis einer Arbeitslosigkeit von über X Jahren genügt, e basta.

Das ist zwar kein lupenreines, bedingungsloses Grundeinkommen, kommt ihm aber ziemlich nahe.
Das Thema wurde in einer Sendung bei »Plusminus« am 26. September 2012 über Wege zur Bekämpfung der Altersarmut einmal gestreift. Vertreter der Parteien CDU und SPD, FDP, Grüne und Linke wurden zu dem niederländischen Rentenmodell befragt und lehnten dieses Modell rundheraus ab. Es stehe im Widerspruch zur ‚Leistungsgerechtigkeit‘, alle über einen Kamm zu scheren hieß es. Die Grünen warnten vor einer hinterrücksen Einführung der »Einheitsrente«. Die Linke unterstellte, damit sei der Weg frei, via Basisrente die Einkünfte der Rentner unter die Armutsgrenze zu drücken.

Das sind ein paar der Argumente, die man auch gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen erhebt. Hauptargument gegen das bedingungslose Grundeinkommen ist immer: Wer soll das bezahlen? (Daß die ganze Sozial- und Hartz IV-Maschine auch nicht weniger kostet, will keiner hören) und: dann würde ja keiner mehr arbeiten. Die meisten von uns würden sehr gerne arbeiten ohne zermürbenden Existenzdruck, und viele wüßten das zusätzlich durch Arbeit generierte Einkommen durchaus zu schätzen. Nicht jeder lebt gern bescheiden, und auch heute ist der Drang, allen zu zeigen, wie erfolgreich man ist so groß, daß sehr viele ihre Gesundheit, ihren Freundeskreis und ihre Familie dafür total vernachlässigen.

Das Problem  ist, daß von einem wirklichen Willen der Politik, Armut und die Existenzangst zu beseitigen, nichts zu sehen ist. Menschen, die aus Existenzangst alles mitmachen müssen, denen der reine Broterwerb kaum noch Zeit zum Nachdenken läßt, fangen nicht an aufzubegehren. Das ist der Punkt. Man zwingt so Eltern, weniger Kinder – wenn überhaupt – zu haben und diese noch so früh wie möglich in staatliche Obhut zu geben, damit sie in die gewünschte Richtung indoktriniert werden. Wer hat, wenn er total ausgebrannt und abends frustriert und kaputt ist ist, noch die Energie, sich um seine Kinder zu kümmern oder gar um die Gesellschaft und deren Zukunft Gedanken zu machen? Also kann man die Schafe besser lenken und wenn sie nicht parieren, gibt’s kein Fressi.

Und nicht zu vergessen: Es geht auch um den Erhalt von vielen, vielen Pfründen und Arbeitsstellen in der Sozialbürokratie. Die würden zum größten Teil bei einem Grundeinkommen  überflüssig werden. Das ist aber ist eine gewaltige Lobby und ein großer Prozentsatz an Wählern, die berufsbedingt eng mit Ämtern und Politikern verbandelt sind und daher großen Einfluß haben. Wo bleiben diese Leute, wenn es keine Bedürftigen mehr gibt zum Kümmern? Warum legen sie nicht froh und lachend diese Drangsalierarbeit nieder und freuen sich auf das Grundeinkommen? Niemand würde sie hindern, Menschen aus eigenem Antrieb zu hilfreich zu begleiten – wenn es diese Menschen brauchen und wollen?
Ganz einfach: Die Strukturen der Sozialbürokratie beinhalten eine Menge Machtausübung. Macht über gesellschaftliche Strukturen, über Budgets, über Menschen und ihre Schicksale. Davon verabschieden viele sich nicht freiwillig. Was wiederum zeigt, wie wenig die Unterstellung stimmt, daß „keiner mehr arbeiten“ würde, wenn es ein bedingungsloses Grundeinkommen gäbe.

Zurück zum Experiment in den Niederlanden: „Im Laufe der Jahre wurde viel ausprobiert, aber nichts scheint zu funktionieren“, sagt Jan Willem Wennekes von MIESlab. „Vielleicht sollten wir endlich akzeptieren, daß es Menschen gibt, die nicht arbeiten können, weil einfach keine Jobs für sie da sind. Anstatt sie unter Druck zu setzen, könnten wir etwas anderes ausprobieren. Ein „bedingungsloses Einkommen“ gibt ihnen vielleicht so viel Freiheit, daß selbst die ‚hoffnungslosen Fälle‘ sich wieder in die Gesellschaft einbringen.“

Wenn wirklich etwas dran ist an dieser Meldung, wäre es sehr interessant zu sehen, was dort in der Region passiert. Blüht sie auf und zeigen sich neue, gute, gesellschaftliche – vielleicht solidarische Strukturen? Oder wird es eingestellt, weil keiner mehr arbeitet, Massen von Faulenzern alles lahmlegen und die ganze Sache unbezahlbar wird?

Quellen:

https://nl-nl.facebook.com/mieslab
http://mieslab.nl/onderzoek-basisinkomen/

http://www.vice.com/de/read/bedingungsloses-grundeinkommen-in-den-niederlanden-0000901-v10n12
http://mediathek.daserste.de/sendungen_a-z/432744_plusminus/11891956_altersarmut-welche-rezepte-helfen-sollen

http://crisis.seibotec.com/wow-bedingungsloses-grundeinkommen-in-den-niederlanden/

http://quer-denken.tv/index.php/1091-bedingungslosen-grundeinkommen-in-den-niederlanden

6 Gedanken zu „Bedingungsloses Grundeinkommen in den Niederlanden

  1. Ob das bedingungslose Grundeinkommen dann wohl vom bedingungslosen Profit des Unternehmers und bedingungslosen Steuereinnahmen finanziert wird? Mal sehen, wann der Schwachsinn bedingungslos zerbröselt.
    Ein bedingungslos frohes Neues Jahr :-)

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    • Neue Denkansätze sind immer etwas schwierig. Das BGE Modell gibt es in mehreren Varianten. Bezahlt ist es im Grunde schon. Was es allerdings nicht oder immer weniger geben wird, ist „bezahlte“ Arbeit für jeden. Übrigens, ALG II ist schon ein Grundeinkommen.

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      • „Neue Denkansätze“ rechtfertigen keine Monstrositäten. Das Verteilen unverdienter Zuwendungen ist nicht weniger unmoralisch als die freie Verteilung abhängig machender Drogen.
        Wie sollte es denn „im Grunde schon bezahlt sein“, oder besser: von wem?
        Besonders, wenn Sie denken, dass es immer weniger Arbeit geben wird?
        „Arbeit“ ist aber keine staatliche Zuwendung, sondern das Produkt eines freien Individuums.
        Zu HartzIV empfehle ich diesen Link:
        https://huaxinghui.wordpress.com/2012/11/19/230/

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      • 1. Ein Jeder verdient Zuwendung. Jeder hat schon jetzt ein Einkommen, ist anders auch nicht möglich. Die Bewertung, ob und wie dieses Einkommen nun „verdient“ ist, überlasse ich Anderen.
        2. Geld oder Einkommen mit Drogen zu vergleichen finde ich Interessant. Da ohne Geld im jetzigen System Überleben praktisch nicht möglich ist, sind wir alle abhängig. Wie moralisch ist es denn dann, den Junkies den Stoff zu entziehen? Die Grundsicherung, die ein Jeder zum Überleben braucht mit einer Droge vergleichen?? Das währe ja so als würde man den Fischen das Wasser entziehen wollen, damit sie sich nicht daran gewöhnen. Hört sich ein wenig nach einer Neiddebatte an.
        3. Arbeit gibt es genug. Ich legte die Betonung auf „bezahlte“ Arbeit. Auch wenn es immer weniger „bezahlte“ Arbeit gibt, es wird mit immer weniger Menschen genügend Profit gemacht. Denken Sie nicht? Im Durchschnitt kommen auf eine zu besetzende Stelle sieben Bewerber.
        4. Was ist Arbeit? Wenn der Mensch ein freies Individuum währe, wie Sie es behaupten, dann würden aber einige „Arbeiten“ anders ausgeführt und bezahlt werden.
        5. Was wollen Sie mit dem von Ihnen empfohlene Artikel aussagen? Hartz IV Empfänger sind alle faul? Zitat: Zuletzt wollte er diejenigen Sozialempfänger, für die man in England absolut keine Arbeit auftreiben konnte, in die Kolonien schicken. Der Satzteil: „absolut keine Arbeit auftreiben konnte“, sagt doch schon alles.

        Was ist Arbeit: https://themenmix.wordpress.com/2013/11/14/was-ist-arbeit/

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  2. Danke für Ihre Antwort. Mit Verlaub, ich sehe Widersprüche in dem Essay und Ihrer Replik. Z.B: „….und wozu das bedingungslose Grundeinkommen da wäre, verhindert Hartz IV: Eigeninitiative, Selbstbestimmung, Freiheit…“
    Zunächst ist es ein Unterschied, ob private Gruppen, oder einzelne wohltätig handeln, oder ob es staatliche Politik, und somit mit Zwang verbunden ist.
    Unter Nr. 3. und 4. setzen Sie weiter voraus, dass ein Teil der Gesellschaft dem anderen Teil einen Arbeitsplatz „schuldet“. Freiheit und Gleichheit widersprechen aber diesem Konzept – Argumente für Beides – HarzIV u n d BGE – stellt die Kausalitäten auf den Kopf.

    Maßnahmen sozialer Politik sind nicht abhängig von willkürlichen Entscheidungen, sondern total von der Ökonomie. Gerade die Mischwirtschaft und staatlicher Interventionismus schuf eine Gesellschaft von Spendern und Empfänger, was ist daran moralisch oder rational? Wo ist die Gleichheit? Menschen werden gleich geboren (im Sinne dieser Diskussion) – wer wird Arbeiter und wer Unternehmer?

    Zu Nr. 1. „…Die Bewertung, ob und wie dieses Einkommen nun „verdient“ ist, überlasse ich Anderen…“ In der Tat obliegt die Bewertung dem, der staatliche Zuwendungen fordert.
    Spekuliert man darüber, was die Gesellschaft für ihre Bürger tun sollte, akzeptiert man gleichzeitig die kollektivistische Prämisse, dass die Leben der Bürger dem Staat gehören und dass dieser das Recht hat über sie zu verfügen, ihre Ziele für sie zu setzen und die Verteilung ihrer Mühen zu planen. Also Dinge, die Freiheit und Würde gegenüberstehen.

    Zu Nr. 5.:
    Wir abonnieren Ihren Blog, weil er viel Interessantes und Vernünfiges enthält. Ich respektiere Ihre Autoren und erwarte das gleiche. Sicher sind die Unterstellungen nicht ernst gemeint.
    Nette Grüße

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